Montag, 5. September 2011

"Anne Will" vom 31.08.

(Der Text liegt schon seit Tagen auf meinem Schreibtisch. Eigentlich wollte ich den ersten „richtigen“ Eintrag erst veröffentlichen, wenn die Seite komplett eingerichtet ist – aber das kann noch dauern…)

Langsam schließt sich das alljährliche Sommerloch, auch im Fernsehen kommen nach und nach die vertrauten Gesichter aus dem Urlaub zurück. U.a. geht es los mit der schon viel besprochenen Talk-Offensive der ARD – erst mit „Menschen bei Maischberger“, dann mit „Anne Will“. Letztgenannte ist tatsächlich die einzige Talkshow, die ich regelmäßig sehe – weil das irgendwie zum Ritual dazugehörte, nach dem Tatort auch noch den Talk zu schauen. War schon bei Christiansen so. Auch nach dem Umstellen von TV-Fernsehen auf Mediathek-Fernsehen ist es dabei geblieben. Ob es jetzt aber immer noch dabei bleibt?  Bekannterweise will die Anne ja jetzt nicht mehr sonntags, sondern mittwochs. „Neuer Sendeplatz – Degradierung oder Chance?“, so ungefähr lassen sich die Schlagzeilen der vergangenen Monate wohl zusammenfassen. Also, auf zur (Fast-)Premiere!
Ich muss allerdings zugeben: Ich habe erst am darauf folgenden Tag geschaut – und vorher die Kritiken gelesen, was ich sonst nicht mache. Von wegen möglichst unvoreingenommen eine eigene Meinung bilden und so. Die Rezensionen reichten von „hm, naja“ auf SPON (war das nicht die Website, auf der sich das montägliche Anne-Will-Bashing beinahe zum Breitensport entwickelt hatte?) zu „schlecht“ auf stern.de bis zum Verriss auf faz.net.
Die Gäste hätten so auch in der Sonntagsrunde sitzen können  - die Stereotype sind auf den ersten Blick klar verteilt: zwei Insider, die aus der harten Wirklichkeit erzählen sollen, ein Ex-Politiker bzw. „Mobiliar mit Meinung“ (danke SZ), eine Schauspielerin, die zufällig demnächst auf dem gleichen Sender in einem Film zum Thema mitspielt und ein – „das ist doch der Mann von der Petra Gerster!“. Das Thema „Wut im Bauch“ klingt verdächtig nach: verschiedene Phänomene zu einem großen Einheitsbrei zusammenrühren. Hm.
Ich bin gespannt – dann mal Bühne frei.

Erster Eindruck bereits nach zehn Sekunden: Die Stimme aus dem Off ist ja zum Stummschalten. Hätte man es nicht bei der einfachen Erkennungsmelodie belassen können?
Und dann kommt Frau Will ins Spiel. Bei der ersten Anmoderation wirkt sie aufgeregt, findet aber schnell in ihre gewohnte Souveränität zurück.
Von der Wirkung des geänderten Konzepts, nach dem die Gäste der Reihe nach in der Runde Platz nehmen, bin ich positiv überrascht. Die längeren Gespräche mit den einzelnen Gästen sind echt nicht schlecht und heben sich positiv von dem typischen Durcheinandergequassele ab, unter dem die Sendung, wenn auch nicht so oft wie die Vorgängerin, so doch des Öfteren zu leiden hatte. Aber mit ihren Einzelinterviews hat Frau Will ja seinerzeit in den Tagesthemen schon Maßstäbe gesetzt.
In den 75 Minuten, die die Sendung jetzt lang ist, bewahrheitet sich gleichwohl wieder einmal die Binsenweisheit, dass die Gäste einer Talkshow einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Qualität derselben haben. Stoiber generiert sich als elder statesmen, der den ahnungslosen anderen Teilnehmern erklärt, worüber sie hier eigentlich diskutieren. Sido, der fast konsequent alle duzt, ist entwaffnend ehrlich, als er zugibt, keine Lösung für das Problem zu haben und konterkariert die Eigen-PR von Frau Ferres, die er auffordert, den Sendetermin ihres neuen Films doch bitte noch einmal zu wiederholen. Frau Ferres wiederum überrascht mit durchaus überzeugenden Ansichten wie etwa, dass marodierende Jugendbanden sehr wohl ein politisches Problem seien und dass es der falsche Weg sei, Aufgaben wie Jugendhilfe o.Ä. quasi auf die Charity-Schiene auszulagern. Was Tim Raue erzählt, ist zwar durchaus interessant, aber meine persönliche Antipathie ist hier so ausgeprägt, dass ich mir jeden weiteren Satz zu ihm spare. Und Christian Nürnberger? Der ging ein bisschen unter. Wenn er gelassen worden wäre, hätte er bestimmt einiges mehr zu sagen gehabt.
Fazit: Konnte man gucken, musste man aber nicht. Das, was an dieser Talkshow auszusetzen war, war auch sonntags auszusetzen. Die vorher angekündigte beibehaltene Monothematik war in der großen Besetzung nicht mehr zu erkennen – da war viel Geschwurbel dabei und man kam vom Hölzchen aufs Stöckchen. Der veränderte Aufbau der Sendung gibt aber durchaus Anlass zur Hoffnung. Wenn, ja wenn zum Schluss alle über dasselbe Thema reden. Und dazu auch wirklich was zu sagen haben. Mehr Mut bei der Auswahl der Gäste, möchte man der Redaktion da zurufen. Und ansonsten: war ja so gesehen auch nur die erste Sendung. Und ist doch nur Fernsehen.

P.S.: Ich hab sie gesehen, die hochgezogene linke Augenbraue. Ich verrate euch aber nicht, wann.

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